Die Zentrale

Die Zentrale – Kurt Tucholsky – Satire Arbeit Land Politik

Die Zentrale weiß alles besser.

Die Zentrale hat die Übersicht, den Glauben an die Übersicht und eine umfassende Verwaltung.

In der Zentrale sind die Männer und die Frauen mit unendlichem Stunk untereinander beschäftigt, aber sie klopfen dir auf die Schulter und sagen: »Lieber Freund, Sie können das von Ihrem Einzelposten nicht so richtig beurteilen! Wir in der Zentrale aber …«

Die Zentrale hat zunächst eine Hauptsorge: Zentrale zu bleiben! Gnade Gott dem untergeordneten Organ, das wagt, etwas selbständig zu tun! Ob es vernünftig war oder nicht, ob es nötig war oder nicht, ob es da gebrannt hat oder nicht -: erst muss die Zentrale gefragt werde.

Wofür wäre sie denn sonst da – die Zentrale! Dafür, dass sie Zentrale ist! Merken Sie sich das. Mögen die da draußen sehen, wie sie fertig werden!

In der Zentrale sitzen nicht die Klugen, sondern die Schlauen. Wer nämlich seine kleine Arbeit macht, der mag klug sein – schlau ist er aber nicht. Denn wäre er’s, er würde sich darum drücken, und hier gibt es nur ein Mittel: das ist der Reformvorschlag.

Der Reformvorschlag führt zur Bildung einer neuen Abteilung, die – selbstverständlich – der Zentrale unterstellt, angegliedert und beigegeben wird… Einer hackt Holz, und dreiunddreißig stehen herum – die bilden die Zentrale!

Die Zentrale ist eine Einrichtung, die dazu dient, Ansätze von Energie und Tatkraft der Unterstellten zu deppen. Der Zentrale fällt nichts ein, und die anderen müssen es ausführen. Die Zentrale ist eine Einrichtung, unfehlbarer als der Papst, sieht aber lange nicht so gut aus.

Der Mann der Praxis hat’s demgemäß nicht leicht. Er schimpft furchtbar auf die Zentrale, zerreißt alle ihre Ukases (Verordnungen, Anweisungen, Erlasse, Befehle) in kleine Stücke und wischt sich damit die — Augen — aus. Dies getan, heiratet er sodann die Tochter eines Obermimen, avanciert und rückt in die Zentrale auf, denn es ist ein Avancement, in die Verwaltung zu kommen.

Dortselbst angelangt, räuspert er sich, rückt an der Krawatte, zieht die Manschetten gerade und beginnt, zu regieren: als durchaus gotteingesetzte Zentrale, voll tiefer Verachtung für die einfachen Männer und Frauen der Praxis, tief im unendlichen Stunk mit den Zentral-Kollegen und Kolleginnen – so sitzt er da wie die Spinne im Netz, das die anderen gebaut haben, verhindert gescheite Arbeit, gebietet unvernünftige und weiß alles besser.

Diese Diagnose gilt natürlich nicht für jeden Betrieb, nicht den deinen und auch nicht für unser Land !!!?

Die Zentrale – Kurt Tucholsky – Satire Arbeit Land Politik Verwaltung

Das, was du bist, zeigt sich an dem, was du tust.

Thomas A. Edison